The Circle of Safety

Aus „Bildung 4.0 – Eine Vision für den systemischen Wandel„, von Madita Hänsch

Der Circle of Safety ist eine Metapher von Autor, Ted Speaker und Unternehmer Simon Sinek. Sicherheit ist und bleibt eines der Grundbedürfnisse des Menschen – auch auf der Arbeit. Wenn ich mich auf der Arbeit nicht sicher und wohl fühlen kann, verliere ich Energie und bin nicht in der Lage, meine höheren kognitiven Fähigkeiten vollends zu aktivieren (s.o.). Simon Sinek beschreibt es wie folgt:

By creating a Circle of Safety around the people in the organization, leadership reduces the threats people feel inside the group, which frees them up to focus more time and energy to protect the organization from the constant dangers outside and seize the big opportunities. Without a Circle of Safety, people are forced to spend too much time and energy protecting themselves from each other.

It is the company we keep, the people around us, who will determine where we invest our energy. The more we trust that the people left of us and the people right of us have our backs, the better equipped we are to face the constant threats from the outside together. Only when we feel we are in a Circle of Safety will we pull together as a unified team, better able to survive and thrive regardless of the conditions outside.

 Sinek, Simon (2017): Leaders eat last – Why some Teams pull together and others don’t. New York: Penguin Random House LLC. S. 26f.

Wie entsteht dieser Circle of Safety? Jede:r ist dafür verantwortlich, den Circle of Safety aufrechtzuerhalten, zu fördern und zu nähren. Die Formel dafür ist einfach: Akzeptiere, respektiere und verurteile nicht dein Gegenüber. Nimm dein Gegenüber so an, wie es ist und schenke ihm/ihr deine Wertschätzung allein dafür, dass er/sie ist.

Das ist einfach formuliert, aber ist es auch einfach umgesetzt? Unser Gehirn ist evolutionär darauf ausgelegt, dem Unbekannten mit Skepsis zu begegnen. Das ist ein natürliches Verhalten, das es uns erleichtert, zu überleben. Doch die Evolution hat uns außerdem mit den höheren kognitiven Fähigkeiten ausgestattet, die dieses ältere System überwinden und überschreiben kann. Wir erinnern uns außerdem an die Erkenntnis durch Marshall B. Rosenbergs gewaltfreie Kommunikation – als Gegenstück identifiziert er die lebensentfremdende Kommunikation, nach der unsere Gesellschaft aktuell noch größtenteils miteinander umgeht. Diese lebensentfremdende Kommunikation basiert darauf, dass wir uns Urteile über andere Menschen erlauben:

Eine Variante lebensentfremdender Kommunikation sind moralische Urteile, die anderen Leuten unterstellen,dass sie unrecht haben oder schlecht sind, wenn sie sich nicht unseren Wünschen gemäß verhalten. Beispiele für solche Urteile sind etwa: ‚Dein Problem ist, dass du zu selbstsüchtig bist‘; ‚Sie ist faul‘; ‚Die haben Vorurteile‘; ‚Es ist unangemessen‘. Schuldzuweisungen, Beleidigungen, Niedermachen, in Schubladen stecken, Kritik, Vergleiche und Diagnosen sind alles Formen von Verurteilungen.
Der Sufi-Poet Rumi schrieb einst: ‚Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.‘ Lebensentfremdende Kommunikation jedoch lockt uns in die Falle einer Welt von Annahmen darüber, was richtig und was falsch ist – einer Welt der Urteile. Dazu gehört eine Sprache, reich an Worten, die Handlungen abstempeln und bewertend voneinander trennen. Wenn wir diese Sprache sprechen, verurteilen wir andere und ihr Verhalten, während wir damit beschäftigt sind, wer gut oder böse ist, normal, unnormal, verantwortlich, unverantwortlich, gescheit, dumm usw.

 Rosenberg (2016): S. 29.

Dieses Verhalten des Urteilens und Vergleichens ist über Generationen fest in uns verankert worden. Dementsprechend erfordert es ein besonderes Maß an Achtsamkeit, die lebensentfremdende durch eine gewaltfreie Kommunikation zu ersetzen und erwartungsfrei, mit Offenheit und Akzeptanz unseren Mitmenschen zu begegnen.

Quelle: pixabay.com

Damit ein Team einen Circle of Safety fördern und nähren kann, sind Fähigkeiten der sozialen und emotionalen Intelligenz erforderlich. Mitgefühl, Empathie, aktives Zuhören und Achtsamkeit werden benötigt, damit eine soziale Basis entstehen kann, die Sicherheit und Wohlbefinden fördert. Transparente und gewaltfreie Kommunikation ist das Mittel, das dabei hilft, diese Sicherheit aufrechtzuerhalten. Und bei all dem braucht es die Einstellung, Kooperation und Zusammenarbeit anzustreben – und Konkurrenz endgültig hinter sich zu lassen. 

Psychologische Sicherheit wird allgemein als eine Arbeitsatmosphäre bezeichnet, in der sich die Menschen ausdrücken und sie selbst sein können. Spezifischer kann man sagen, dass Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz psychologische Sicherheit erfahren, sich ermuntert fühlen, Bedenken und Fehler zu äußern, ohne Angst vor Beschämung oder Strafe. Sie vertrauen darauf, dass sie sich äußern können, ohne gedemütigt, ignoriert oder beschuldigt zu werden. Sie wissen, dass sie Fragen stellen können, wenn sie sich in einer Sache unsicher sind. Sie vertrauen ihren Kollegen und respektieren sie. Wenn es in einer Arbeitsumgebung eine einigermaßen starke psychologische Sicherheit gibt, hat das positive Folgen: Fehler werden schnell kommuniziert, wodurch rasch Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die nahtlose Koordination zwischen Gruppen oder Abteilungen wird gestärkt und potenziell bahnbrechende Ideen für Innovationen werden geteilt. Kurz gesagt, psychologische Sicherheit ist eine entscheidend wichtige Quelle der Wertschöpfung in Organisationen, die in einer komplexen, veränderlichen Umgebung arbeiten.

 Edmondson (2020): S. XVI.

Es ist eine logische Konsequenz, dass, wenn ich mich sicher fühle, mutig bin, mit neuen Ideen voranzugehen und Fehler einzugestehen, wenn ich keine Strafe oder Beschämung fürchten muss. Ebenso tolerant kann ich mit den Fehlern meines Gegenübers umgehen. Und wenn ich zum Ziel habe, gemeinsam daran zu arbeiten, Lösungen zu finden, dann ist es ein natürliches Verhalten, meinem Gegenüber dabei zu helfen, aus den Fehlern zu lernen und sich weiterzuentwickeln. 

Oben habe ich bereits hinreichend erläutert, wie Angst das Lernen und andere höhere kognitive Fähigkeiten blockiert, und dass dies neurowissenschaftlich untersucht und belegt ist. Darüber hinaus hat Amy Edmondson untersucht, welche positiven Resultate ein sicheres Arbeitsumfeld hervorbringt:

dass psychologische Sicherheit für Organisationen wichtig ist, die daran interessiert sind, ihre Prozesse zu verbessern. Ihre Forschungen zeigen, dass es durch psychologische Sicherheit für die Menschen leichter wird, über Probleme zu sprechen und Arbeitsprozesse zu verändern und zu verbessern, statt sich an kontraproduktive Notlösungen zu halten.

Quelle: pixabay.com

Eine weitere Studie von Projekten zur Verbesserung von Arbeitsprozessen, die in einem Produktionsbetrieb durchgeführt wurde, fand heraus, dass Projekte mit höherer psychologischer Sicherheit erfolgreicher waren. Dabei untersuchten die Forscher 52 Teams zur Prozessverbesserung, die den Prinzipien des Totalen Qualitätsmanagements (TQM) folgten, mit dem Ergebnis, dass selbst bei der Anwendung einer sehr strukturierten Methode zur Prozessverbesserung die zwischenmenschliche Atmosphäre für den Erfolg wichtig war.

 Edmondson (2020): S. 35.

Dabei identifiziert sie Kommunikation als einen Schlüsselfaktor. Je mehr wir miteinander sprechen, desto einfacher fällt es uns, offen und vertrauensvoll miteinander umzugehen. Das aktive, empathische Zuhören ist dabei die andere Seite der Medaille. Wenn ich offen dafür bin, mein Gegenüber wirklich verstehen zu wollen, gewinne ich neue Perspektiven dazu, profitiere von dem Wissen und den Erfahrungen des anderen und gemeinsam können wir das Potenzial in unserer Zusammenarbeit akkumulieren.

Sie formuliert einen weiteren wichtigen Hinweis: “Feedback muss konstruktiv sein – und sich auf das Projekt und nicht die Person beziehen.” (Edmondson (2020): S. 91f.) Es gibt hinreichende Gesprächstechniken, die leicht zu erlernen sind, um diese Art von Feedback geben zu können – zum Beispiel mit der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.

Wir brauchen das Feedback, die Resonanz unserer Teammitglieder, um uns weiterentwickeln zu können. Dazu gehört auch der Mut, nach Feedback zu fragen und ein entsprechend sicheres Umfeld. Um ein solches zu schaffen, bietet Edmondson einen konkreten Methodenkoffer für Führungskräfte an: 

 Edmondson (2020): S. 138

Zur Erinnerung, die Verantwortung dafür, den Circle of Safety aufrechtzuerhalten, zu fördern und zu nähren, liegt nicht allein bei der Führungskraft, sondern bei allen Teammitgliedern gleichermaßen. Jedoch hat die Führungskraft aufgrund ihrer Rolle eine tragende Verantwortung, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie besitzt eine Position, in der sie die Entwicklung ihres Teams aktiv steuern kann. Sie besitzt die Fürsorgepflicht für ihre Teammitglieder, um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu fördern, und sie geht als leuchtendes Vorbild voran.

Das vollständige Buch ist hier kostenlos abrufbar: https://docs.google.com/document/d/15bTj8qyzC0HLpzr6ETigBSrhdXqIsEUIkW0uQKB5z8w/edit?usp=sharing


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