Arbeit mit Sinn

Aus „Bildung 4.0 – Eine Vision für den systemischen Wandel„, von Madita Hänsch

Mit dem Project Aristotle investierte Google eine Menge Geld um zu untersuchen, was Teams brauchen, um erfolgreich zu arbeiten. Die Studie identifizierte fünf Qualitäten, die ein erfolgreiches Team ausmachen:

  • Psychologische Sicherheit
  • Verlässlichkeit
  • Struktur und Klarheit
  • Sinn hinter der Arbeit
  • Die Arbeit zeigt Wirkung

In diesem Abschnitt des Buches möchte ich den Punkt “Sinn hinter der Arbeit” genauer beleuchten. 

Historisch betrachtet verbirgt sich hinter dem Wort “Arbeit” etymologisch die Bedeutungen von “Mühe”, “Strapaze” oder gar “Knechtschaft”. In Kunst und Literatur haben Utopien oftmals den Charakter, dass der Mensch endlich von der Arbeit “befreit” sei und sich ausschließlich der Muße, Kunst und Befriedigung seiner Bedürfnisse widmen könne. 

In einer digitalisierten und globalisierten Welt stehen dem Menschen beinahe unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung, zu entscheiden, welcher Arbeit er nachgehen möchte. Daher eröffnet sich uns heutzutage eine Alternative zur “Mühe” und “Knechtschaft”. 

Viele von uns haben inzwischen die Freiheit eine Berufung anstatt eine Arbeit zu wählen. Berufung ist dabei ein anderes Wort für “Arbeit mit Sinn”. Als eine sinnvolle Arbeit gilt, wenn mich die Ausübung der Tätigkeit zufrieden stimmt. Was zufrieden stimmt, ist für jede:n eine individuelle Erfahrung. 

Simon Sinek schafft es, dies etwas pragmatischer zu formulieren:

Think of the WHY like the foundation of a house, it is the starting point. It gives whatever we build upon it strength and permanence. Our Just Cause is the ideal vision of the house we hope to build. We can work a lifetime to build it and still we will not be finished. However, the results of our work help give the house form. As it moves from our imagination to reality it inspires more people to join the Cause and continue the work […] forever. For example, my WHY is to inspire people to do what inspires them so that together we can each change our world for the better. It is uniquely mine. My Just Cause is to build a world in which the vast majority of people wake up inspired, feel safe at work and return home fulfilled at the end of the day, and I am looking for as many people as possible who will join me in this Cause. It is the Just Cause that we are working to advance that gives our work and our lives meaning. A Just Cause inspires us to stay focused beyond the finite rewards and individual wins. The Just Cause provides the context for all the finite games we must play along the way. A Just Cause is what inspires us to want to keep playing. Whether in science, nation building or business, leaders who want us to join them in their infinite pursuit must offer us, in clear terms, an affirmative and tangible vision of the ideal future state they imagine.

 Sinek, Simon (2019): The Infinite Game. Penguin Random House LLC. S. 34.

Das Versprechen hinter der Leistungsgesellschaft, Arbeit sei Mittel zum Zweck, um Leistung zu erbringen und sich damit Wohlstand zu verdienen, haben wir inzwischen enttarnt. Die Strukturen hinter dem Kapitalismus dienen nicht dem Gemeinwohl und ermöglichen nicht jedem Einzelnen von uns dieselben Chancen zu brillieren, sondern machen lediglich die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. 

Quelle: pixabay.com

Außerdem widerspricht das Leistungsprinzip dem Wesen des Menschen. Wir haben bereits in Teil 2 dieses Buchs erfahren, dass der Erfolg unserer Spezies auf Kooperation, Kommunikation und Kreativität beruht, und nicht auf Konkurrenz und Kampf.

Das Gegenmodell zu dieser Gesellschaft des Habens, ist die Gesellschaft des Seins, wie Erich Fromm es beschreibt: “Mit ‘Sein’ meine ich eine Existenzweise, in der man nichts hat und nichts zu haben begehrt, sondern voller Freude ist, seine Fähigkeiten produktiv nutzt und eins mit der Welt ist.” (vgl.  Fromm (1979): S. 33)

Fromm ersetzt für das Leben im Sein die Arbeit durch den Begriff “Tätigsein”. Wenn der Mensch tätig ist, verleihe er sich selbst Ausdruck. (vgl.  Fromm (1979): S. 110.)

Sich dessen bewusst zu werden, zu was ich mich als Mensch berufen fühle – welches WHY mich motiviert, tätig zu werden – ist die Voraussetzung dafür, den Sinn hinter der Arbeit zu erkennen. Denn die Arbeit ist nur dann für mich sinnvoll, wenn sie mit meinem WHY im Einklang steht. 

Peter Senge formulierte bereits in den 90ern in seinem berühmten Buch “Die fünfte Disziplin”:

“When there is a genuine vision […], people excel and learn, not because they are told to, but because they want to. […] The practice of shared vision involves the skills of unearthing shared ‘pictures of the future’ that foster genuine commitment and enrollment rather than compliance.”

 Senge, Peter M. (1990): The Fifth Discipline – The Art & Practice of The Learning Organization. New York: Bantam Doubleday Dell Publishing Group, Inc. S. 9.

Eine gemeinsame Vision, die die Arbeit eines Teams mit Sinn erfüllt, ist die gemeinsame Schnittmenge aus den persönlichen Visionen eines jeden Teammitglieds. (vgl.  Senge (1990): S. 211.)

Die Aufgabe für jeden Einzelnen von uns lautet, 1) sich seines WHY, seiner persönlichen Vision, bewusst zu werden, diese 2) im Team klar zu kommunizieren und 3) die gemeinsame Schnittmenge, also die gemeinsame Vision zu definieren, um 4) den Sinn hinter der Arbeit aufzudecken. 

Quelle: pixabay.com

Die Google Studie belegt, dass Sinn hinter der Arbeit ein Faktor ist, der Teams erfolgreich macht. Aus dem Sinn, dem WHY, leitet sich laut Sinek das HOW der Arbeit ab: 

Once you know WHY you do what you do, the question is HOW will you do it? HOWs are your values or principles that guide HOW to bring your cause to life. HOW we do things manifests in the systems and processes within an organization and the culture.

 Sinek, Simon (2009): Start with why – how great leaders inspire everyone to take action. London: Penguin Books Ltd. S. 66.

Übertragen wir dieses ggf. abstrakte Konzept auf die Praxis in der Bildungslandschaft. Gehen wir von dem Ideal aus, dass jede:r, der/die in der Bildung tätig ist, dies tut, weil er/sie sich dazu berufen fühlt. Dann bildet die Schnittmenge aus den persönlichen Visionen die gemeinsame Vision des Teams. Das kann in dem Leitbild (oder Bildungsverständnis) eines jeden Bildungshauses festgehalten werden. 

Das HOW ist dann das Konzept, das auf dem Leitbild basiert. Das Konzept enthält die Werte, die das Team verkörpern möchte und beschreibt, welche Regeln sich das Team selbst auferlegen möchte, das WHY zu schützen.

Methoden, Lehr- und Lernpläne, Curricula, Medienkonzepte, usw. bilden das WHAT des Teams ab: „A WHY is just a belief. That’s all it is. HOWs are the actions you take to realize that belief. And WHATs are the results of those actions – everything you say and do: your products, services, marketing, PR, culture and whom you hire.“ (vgl.  Sinek (2009): S. 67.)

Das vollständige Buch ist hier kostenlos abrufbar: https://docs.google.com/document/d/15bTj8qyzC0HLpzr6ETigBSrhdXqIsEUIkW0uQKB5z8w/edit?usp=sharing


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert