Seit dem Ende meines Masterstudiums verfolge ich meine persönliche Vision. Aus dieser ergeben sich zahlreiche Fragen, die ich zu beantworten suche, um dann einen Weg zu finden, mich einen Schritt nach dem anderen auf diese Vision zuzubewegen.
Dafür musste ich zunächst lernen, die Fragen zu lieben – denn Geduld ist nicht meine Stärke.
„Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.“
Rainer Maria Rilke
Die Aufgabe, die sich aus meiner Vision ergibt, lässt sich am ehesten mit diesen zwei Fragen beschreiben:
Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit der Mensch sich frei entfalten kann?
Das Bildungssystem ist ein Schlüssel, um gesellschaftliche Transformation zu initiieren: Wo setzen wir also sinnvoll an?
Auf meiner Suche zoomte ich immer tiefer hinein, um zu verstehen, was das Wesen des Menschen ausmacht – auf der Suche nach der einen Gemeinsamkeit, die uns alle verbindet. Wohlwissend, dass es diese Gemeinsamkeit ist, die die Basis für unsere Entwicklung, für unser Potenzial darstellt, an das all die Vielfalt und Individualität der Menschheit anknüpft.
Ich kann im 21. Jahrhundert dankenswerterweise auf Jahrhunderte der wissenschaftlichen Forschung über den Menschen zurückgreifen und muss lediglich die Fäden zusammenführen. Und ich erhebe keine Ansprüche darauf, dass ich die erste bin, die diese Erkenntnisse errungen hat.
In der ersten Stufe sah mein neues Modell wie folgt aus:
An erster Stelle steht die Sicherheit. Die physische und psychische Sicherheit. Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen: Sich sicher fühlen. Sicher fühlen können wir uns nur im Beisein mit anderen Menschen (das heißt nicht, dass wir rund um die Uhr Menschen physisch um uns herum brauchen, sondern dass wir wissen, dass es Menschen gibt, auf die wir uns verlassen können, die wir rufen können, wenn wir nicht sicher sind, damit sie uns helfen, uns wieder sicher zu fühlen). Dieses Bedürfnis nach Sicherheit kann nicht jeder x-beliebige Mensch erfüllen. Es muss jemand sein, der mich so annimmt, wie ich bin, bedingungslos und ohne Erwartungen an mich zu hegen. Dieser Mensch muss mir das Gefühl vermitteln können, dass er mit mir gemeinsam Sein möchte, im Hier und Jetzt. Dies beschreibt die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Das Bewusstsein, die Haltung, die man durch die Anerkennung dieses Rechts annimmt, bedingt also den Erfolg, dass Sicherheit entstehen kann.
Auf dem erfüllten Bedürfnis nach Sicherheit baut das Potenzial der Verbundenheit auf. Ich habe eben erläutert, dass ich Sicherheit nur mithilfe anderer Menschen erleben kann. Dieses sich gemeinsame Stärken in dem Gefühl der Sicherheit ist Verbundenheit. Die Qualität der Verbundenheit wird von der Qualität der Beziehungen mit meinen Mitmenschen bestimmt.
Wir bewegen uns hier nach wie vor auf dem Niveau des vereinfachenden Modells. Um auf all die Details einzugehen, bräuchte ich eine gesamte Forschungsarbeit und keinen einfachen Artikel zu schreiben.
Wenn Sicherheit und Verbundenheit hergestellt sind, ist es möglich, gemeinsam Resonanzräume zu schaffen. In Resonanz miteinander zu treten, bedeutet, einen sozial interaktiven Raum zu schaffen, in dem etwas Neues entstehen kann. Resonanz entsteht in sozialer Interkation, die auch non-verbal stattfinden kann und auch im virtuellen Raum. Die Verbindung zwischen Menschen kommt in Schwingung, die Menschen resonieren miteinander. Die Bedingung für die Freisetzung dieser Potenzialstufe ist Achtsamkeit und Emotionale Intelligenz. Nachdem wir uns miteinander sicher fühlen und in Verbundenheit gekommen sind, setzen wir unsere sozialen Fähigkeiten ein, um gemeinsam im Hier und Jetzt das gemeinsame Potenzial freizusetzen. Und dann haben wir Potenzialentfaltung erreicht.
Um den Fokus in Richtung Bildungssystem zu schärfen, braucht es einen Exkurs zu Spiral Dynamics. Diese Theorie beschreibt die Entwicklung der Menschheit, sowohl auf kollektivem Level, also historisch betrachtet, als auch auf individuellem Level. Denn, so die Annahme, die auf kollektivem Level erreichten Entwicklungsstufen spiegeln sich in jeder Laufbahn eines Menschen wider. Es ist nötig, dass jeder Mensch die jeweiligen Stufen durchläuft, um die nächste erreichen zu können. Dabei gilt die Haltung gegenüber den Stufen, dass keine höher gewertet wird als die andere. Denn in jeder Stufe werden wichtige Erfahrungen gesammelt, die in den nächsten Stufen nach wie vor Anwendung finden. Die Spirale ist also in sich verschachtelt. Jede Stufe enthält die Erfahrungen der vorhergegangenen Stufen.
Bisher konnten neun Stufen identifiziert werden. Die Spirale bleibt jedoch offen und entwickelt sich weiter. Es werden also weitere Stufen hinzukommen.
Ich habe die Spirale aus Perspektive meiner bisher gewonnenen Erkenntnisse betrachtet und an dem biologischen Alter und der Entwicklungsphasen des Gehirns orientiert die Frage gestellt, welche Wesensentwicklungsstufen gibt es, welche grundlegenden gemeinsamen Bedürfnisse hat jeder Mensch in dem jeweiligen biologischen Alter? Aus der Antwort auf diese Fragen ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für die Gestaltung des Bildungssystems. Nämlich wird deutlich, dass die verschiedenen biologischen Entwicklungsphasen entsprechend andere Rahmenbedingungen zur Entfaltung benötigen.
Spiral Dynamics gibt nicht vor, in welchem Alter welche Entwicklungsstufe erreicht wird oder wo die Entwicklung im Laufe eines Lebens endet. Dies ist abhängig von äußerlichen und innerlichen Einflussfaktoren.
Ich habe die Entwicklungsphasen wie folgt formuliert:
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