Neue (alte) Grundsätze braucht Deutschlands Bildungssystem

Noten hier, Prüfungen da, die Konsequenz: Bulimie-Lernen statt Bildung. So sieht der Schul- und Unialltag in einem Großteil der deutschen Bildungsinstitutionen aus. Leistung steht im Fokus, Entfaltung ist ein Fremdwort. Eine kleine Veränderung könnte jedoch Großes bewirken: Neue (alte) Grundsätze als Zielsetzungen für das Bildungssystem würden einiges ins Rollen bringen.

Wir haben schon vor geraumer Zeit erkannt, dass uns der Konsum nur in den Wahnsinn treibt und auf keinen Fall zu wahrem Wohl-Sein führt; dass uns der Leistungsdruck krank macht und nicht etwa zu unserem Optimum treibt; dass der Wettbewerb uns einsam macht und niemals unser wahres Potenzial aufdecken kann.

Dennoch wehren wir uns kaum. Vermutlich, weil wir es zwar erkannt, aber nicht verinnerlicht haben. Wir sehen, aber wir spüren die Gefahr nicht. Noch nicht. Oder etwa doch? Einige von uns spüren sie schon. Wenige spürten sie bereits, bevor die Dinge so richtig in Fahrt kamen. Und wer sie spürt, der kann unmöglich so weiter machen, wie bisher. Alles in ihm wehrt sich und kämpft um die Befreiung aus dem Hamsterrad. Doch wenn wir die Menschheit retten wollen, müssen wir jeden mobilisieren.

Ich bin abgeschweift. Zurück zu den Auswirkungen des Leistungskampfes auf unsere Kinder. Wir liefern sie diesem Kampf ab der ersten Klasse aus. Wir wollen sie stark machen, damit sie überleben. Die Evolution hat es bewiesen: Nur der Stärkste überlebt. Singular.

Falsch. Die Stärke liegt nicht in der Kraft eines Einzelnen. Die Stärke erwächst aus der Verbundenheit einer Vielfalt.

Quelle: pixabay.com

Doch wenn diese Erkenntnis bereits da ist, zum Greifen nahe, dass die Gier nach Leistung unmöglich der richtige Weg sein kann, warum tun wir unseren Kindern all dies nach wie vor an? Ist das noch verantwortlich? Verstößt dies nicht gegen unser grundlegendstes Gesetz?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

(Artikel 1, GG)

Kennen wir den Begriff der Würde noch? Kennen wir das, was unsere eigene Würde ausmacht? Kennst du dich selbst gut genug, um zu wissen, was deine Würde ausmacht? Hast du jemals die Gelegenheit oder den Anstoß bekommen, um darüber nachzudenken? Wird eine Leistungsgesellschaft diesem grundlegenden Recht gerecht?

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

(Artikel 2, GG)

Können wir uns denn frei entfalten in einer Leistungsgesellschaft? Rennen wir nicht stattdessen den Anforderungen anderer hinterher? Können sich unsere Kinder in den Schulen und Universitäten dieses Landes frei entfalten? Rauben wir ihnen dieses Recht nicht, indem wir sie diesen Institutionen aussetzen?

Das deutsche Bildungssystem selektiert. Es bildet nicht. Es verlangt Leistung. Es gibt keinen Entfaltungsraum. Es gibt uns keinen Raum, unsere Würde zu finden.

Und das Bildungssystem ist der Spiegel unserer Gesellschaft.

Verändern wir doch mal den Fokus:

Weg von Leistung, hin zu Entfaltung.

Weg von Selektion, hin zu Entwicklung.

Weg von Bewertung, hin zu Reflexion.

Weg von Vergleichbarkeit, hin zu Chancengleichheit.

Welches Bild ergibt sich dann? Richtig, ein Bild von Würde.

Inspiriert von Gerald Hüther und seinem Buch „Würde: Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft


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